Neue Medien haben eine Vorgeschichte, und alte Medien wie das Minikino-Drama können die Zukunft zeigen— wie auf den Kurzfilmtagen in Oberhausen dieses Jahr.
Hinterm Horizont hört der Film nicht auf — Ulu Brauns „Die Herberge“ öffnet Riesenräume.
Vor einem Gasthaus zum Ochsen ruht sich ein Kamel aus, und nur ein paar Schritte weiter parkt ein Motocrosspilot seine Maschine vor ausrangierten Betonbarrieren, die wirken, als wären sie die Relikte eines Terroranschlags, an den sich niemand mehr erinnern kann. In Ulu Brauns Kurzfilm „Die Herberge“ grenzen die Alpen ans Westjordanland, die Landschaft in Palästina könnte aber ebenso gut in Arizona sein, wie auch die Berggipfel an einer Stelle stark nach Himalaya aussehen. Was macht dann aber der silberne Mann da, den man eher in der Fußgängerzone einer westlichen Stadt erwarten würde, ein Schausteller in einer Umgebung, die auch ohne ihn schon trügerischer kaum sein könnte? Der Kurzfilm ist eine Disziplin, die dazu verführt, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu erledigen. Das ist ein Eindruck, den man auch bei „Die Herberge“ gewinnen könnte, der am Dienstagabend zum Abschluss der 63. Kurzfilmtage in Oberhausen mit dem Preis für den besten Beitrag im Deutschen Wettbewerb ausgezeichnet wurde. Der in Berlin lebende Videokünstler Ulu Braun folgt der surrealistischen Prämisse, dass zusammenkommen soll, was nicht zusammengehört. Mit seinen faszinierenden Szenarien, in denen Anspielungen auf Motive der Kunst- und Bildgeschichte nie so richtig eindeutig werden, schafft er aber bei aller Phantastik doch so etwas wie eine Gegenwartsoberfläche, in der die Raumwirkung von Landschaftsmalerei auf die von Computerspielen trifft. Man kann in „Die Herberge“ eine Menge hineinlesen, vor allem aber wird man das Bedürfnis haben, dass diese Kamerabewegungen, die mit verblüffender Selbstverständlichkeit auf immer neue Überraschungen‚ ja Sensationen treffen, nicht aufhören sollen, Das ist für jeden Film und zumal einen kurzen („Die Herberge dauert 13 Minuten) ein Triumph, denn das heißt dann ja: Format optimal genutzt, und mehr daraus gemacht, weil dessen Beschränkungen überwunden.